Letztes Wochenende war ich mit meinem Mann bei einer Open-Air-Modeschau in Gmunden. Die Geschäfte hatten aus diesem Anlass länger offen und so schlenderten wir durch die vielen kleinen Galerien und Kunstläden, die diese kleine aber feine Stadt bietet. Da sprang mir eine Keramikskulptur der österreichischen Künstlerin Edeltrude Arleitner ins Auge. Sie strahlte Schönheit und Selbstbewusstsein aus, ihre kecke Pose sagte „ich weiß, was ich tue“. Der Würfel, den sie souverän auf ihren Fingerspitzen balancierte, zeigte mir, dass sie alles im Griff hatte. Ich dachte wirklich, das war der Sinn dieses Würfels. Dann sah ich auf die Beschreibung, und die Skulptur hieß „Die Spielerin“.

In meinem Kopf fand daraufhin ein kleiner Neuronenkurzschluß statt. Ich war einfach schockiert bei der Vorstellung, mit welcher Leichtigkeit diese Frau die Möglichkeit in Kauf nahm zu verlieren. Ich sah eine Frau, die souverän aussah während sie dabei war, die Kontrolle aus der Hand zu geben. Eine, die Spaß daran hatte, nicht zu wissen, was als Nächstes kommt. Die ganz offensichtlich anders war als ich, sonst wäre ich nicht wie eine verhexte Salzsäule mit offenem Mund dagestanden.

Meine Gedanken irritierten mich. Meine Gefühle noch mehr, denn es war eindeutig Neid dabei. Ich hatte erst am Nachmittag mit meiner Schwester telefoniert, weil ich das Gefühl hatte, irgendwie erstarrt zu sein unter dem Gewicht der mir selbst auferlegten Verantwortungen und Erwartungen. Und hier stand diese Statue mit der arrogant hochgezogenen Schulter und schien mich auszulachen,  „lass doch mal locker, ey!“ Als würde sie mich auffordern, die Würfel mal aus der Hand zu geben. An diese Möglichkeit hatte ich, ehrlich gesagt, schon ganz lang nicht mehr gedacht. Die Gamblerin strahlte nicht die geringste Angst oder Unsicherheit aus. Sie wirkte lebendig, vergnügt und stolz, als wüsste sie etwas, was sich anderen noch nicht erschlossen hat. Sie spielte als wäre das die selbstverständlichste Sache der Welt.

Und was soll ich sagen, sie hatte recht. Es ist die selbstverständlichste Sache der Welt. Denn während wir versuchen, jede Sicherheit verkrampft festzuhalten, rollt der Würfel in Wirklichkeit längst und alles, was wir tun können, ist zu beten, dass die gewünschte Zahl fällt. Das Leben meistert man spielend oder gar nicht, hat mal ein kluger Mensch gesagt. Und während der Würfel rollt, können wir doch genauso gut unser Leben genießen. Leichtigkeit kommt gleich nach dem Loslassen. Nach dem Festhalten kommt höchstens der Einlauf.  Wer die Kontrolle nicht abgeben kann und die Würfel verkrampft festhält, hat doch keine Hand frei für den Prosecco. Für was soll das gut sein?

Ich fühlte mich jedenfalls geheilt von allen Allmachtsvorstellungen, in die ich mich in den letzten Wochen wie in ein Spinnweben verfangen hatte. Ihr kennt dieses Spinnweben mit der dicken Spinne dahinter, die das ewige Sirenenlied säuselt: „Wir werden dich alle liebhaben, wenn du das und dies so und so machst.“ Doch je mehr man sich verfängt, umso rauer wird der Ton: „Du bist dafür verantwortlich, dass alle zufrieden sind!!!“ Man müht sich ab, bewegt sich schneller und schneller und langsam aber sicher spürt man den eigenen Raum immer enger werden, bis es schließlich heißt: „Rien ne va plus.“

Und da dachte ich, nö, dann doch lieber den Prosecco!

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