Alles Vollgas oder was? Wir sind zwar reich, aber vom wirklich Wichtigen brauchen wir mehr. Mehr Auszeiten, mehr Stille, mehr Freude, mehr Sinn. All das Zeug eben, das nichts kostet, und dessen Wert wir deswegen schlecht einschätzen können. Das sollten wir unbedingt ändern. Denn ohne diese Nahrung wird unsere Seele nicht satt.

„Was ist das Schlimmste, was passieren könnte, wenn Sie vom Gas gehen?“ Das ist eine sehr häufige Frage in meiner Praxis. Die gehetzte Klientin nennt zuerst ein paar Scheingründe. Wir sehen uns an und wissen es beide – sie setzt sich selbst unter Druck. Es ist, als ob in uns eine Zeitbombe ticken würde. Aber unser Hamsterrad dreht sich genau in dem Tempo, in dem wir rennen. Menschen, die viel schaffen, werden dadurch belohnt, dass man ihnen noch mehr aufbürdet.

Und wieder in die Falle getappt

Aber es ist wie immer – es zu wissen ändert noch gar nichts. Deswegen bin auch ich neulich wieder in diese Falle getappt. Ich bin eine One-Woman-Show, auf meinem Monatsplan stehen aber Dinge, die ein dreiköpfiges Team ins Schwitzen bringen würden. Wieder mal. Ich lerne es einfach nie. Ich arbeite sehr gern, jongliere mit mehreren Projekten gleichzeitig, habe zwei Kinder und eine Ehe und pflege all diese Beziehungen gern liebevoll – das braucht Zeit. Wofür wieder mal nichts übrig bleibt, ist Auszeit, Stille, Freude. Denn obwohl ich all das, was ich tue, gerne tue, macht es keinen Spaß mehr, wenn ich unter Druck stehe.

Schatzi mach, dass es mir gut geht

Was macht man, wenn man sich im eigenen Alltag erschöpft und nicht gut für sich sorgt? Man fängt an, am Partner herumzunörgeln. Die Hälfte aller Partnerschaftsprobleme würde sich in Luft auflösen, wenn jeder gut für sich sorgen würde. Gut gelaunte Menschen haben es zusammen netter. Wenn ich unter Druck stehe, überspannt bin, mich nicht spüre, bekomme ich schnell das Gefühl, dass mein Mann sich doch ein bisschen mehr bemühen könnte. So nach dem Motto: „Wenn ich mich schon nicht um mich kümmere, könntest du das doch tun.“ Gott sei Dank funktioniert das nicht. Es wird dir vielleicht schon aufgefallen sein, dass dein Partner genau dann auf Distanz geht, wenn du glaubst, seine Fürsorge besonders dringend zu brauchen. Because it´s your job!

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Was soll ich lassen, damit es mir besser geht?

Freude kommt von selbst, wenn man auf dem Druckkochtopf, in den man sich selbst verwandelt hat, den Deckel abnimmt und sich endlich in Freiheit ausdampfen lässt. Erschöpfte Menschen sollten nicht fragen: „Was soll ich tun, damit es mir besser geht?“ Sie sollten sich lieber fragen, was sie lassen sollten. Schweren Herzens habe ich zwei Projekte auf später verschoben. In meinem neuen Alltag, in dem es wieder schwingt und ein gesunder Rhythmus eingekehrt ist, wurde mein Herz aber schnell wieder leicht.

Yin & Yang im Gleichklang

Es nützt nichts. Niemand wird vorbeikommen und uns Stille, Freude, Selbstfürsorge aufzwingen. Um sich in seiner Haut wohl zu fühlen und körperlich und seelisch im Lot zu sein, müssen Yin und Yang, die weiblichen und männlichen Qualitäten im Lot sein. Unsere Welt ist ganz stark von der Yang-, der männlichen Qualität geprägt. Das Tun ist männlich, das Sein ist weiblich. Auf eine Zeit voller Aktivität und Tatkraft muss eine Zeit der Erholung und des Seins folgen. Diese heißt dummerweise Aus-Zeit. In meinen Ohren klingt das so nach Nichts. Vielleicht würden wir sie mehr beachten, wenn sie Auftank-Zeit heißen würde wie beim Auto oder Lade-Zeit wie bei einem Akku. Für den Akku haben wir Verständnis. Seine Ladezeit bekommt von uns mehr Aufmerksamkeit als unsere eigene. Besorgt beobachten wir das Batteriezeichen, um ja rechtzeitig aufzuladen.

Ohne Respekt vor Grenzen keine Lebensfreude

Was ist dein Batteriezeichen? Woran merkst du, dass deine Batterie blinkt? Ich verspanne mich meist, halte nicht mehr ausreichend Augenkontakt und verliere meine Freude. Man nennt das auch grantig sein.  Wenn die Batterie schon ganz rot und dringend blinkt, werde ich österreichisch gesprochen saugrantig. Dann ist´s aber Zeit.

Doch es ist keine gute Lösung, sich dann erst zu erholen, wenn man wirklich nicht mehr kann. Die einzige Lösung für mehr Lebensfreude ist, mehr Respekt vor den eigenen Grenzen zu haben. Einen gesunden Rhythmus in unserem Leben zu installieren. Auf allen Ebenen. Essen und Verdauen. Einatmen und Ausatmen. Da sehen wir es noch ein. Aber wir brauchen auch einen gesunden Rhythmus aus Nähe und Distanz. Ich und Wir. Zusammen und Alleinsein. Tätigkeit und Erholung. Tun und Sein. Die Aufmerksamkeit nach außen richten und die Aufmerksamkeit nach innen kehren. Zuhören und in die Stille gehen. Dann kommt alles in Bewegung. Weil unser inneres Pendel wieder schwingen kann.

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Wir haben mehr Zeit als wir glauben

Der gesunde Rhythmus muss die Priorität sein auf meiner To-Do-Liste, das habe ich jetzt verstanden. Alle anderen Ziele, die ich gerne erreichen möchte, können erst an zweiter Stelle kommen, wenn das Leben Spaß machen soll. Es wird dann zwar alles nicht mehr so schnell gehen und so perfekt sein, das mag sein. Andererseits – wer sagt das? Kommen uns nicht gerade in Zeiten der Muße die besten Ideen? Kommt die Lösung eines Problems nicht oft überraschend während eines Spaziergangs?

Das Leben ist gut zu mir, ich lebe neben einem Wald. In dieser stressigen Zeit bin ich manchmal am Fenster gestanden und habe sehnsüchtig hinausgeschaut. Als ob ich im Gefängnis wäre und nicht raus dürfte. Wir handeln nicht immer sehr intelligent. Am wenigsten dann, wenn wir glauben, für eine Pause keine Zeit zu haben. Ein Raucher findet unter allen Umständen die Zeit, vor die Tür zu gehen, um eine Zigarette zu rauchen. Seit Facebook und WhatsApp wissen wir auch, dass wir viel mehr Zeit haben, als wir früher dachten. Nur für den gesunden Rhythmus soll nichts übrig sein? Das ist nicht wahr.

Gesunder Rhythmus ist ansteckend

Wir sind Schwingung und stecken uns gegenseitig mit unserer Schwingung an. Je mehr von uns in einem gesunden Rhythmus schwingen, umso gesünder wird die Welt. Vom Herzen gern erinnere ich mich an die Besuche bei meiner Oma. Sie brachte meine Schwingung immer in Ordnung. Mit ihrer Ruhe, Fürsorge, Gelassenheit. Als wäre jeden Tag Sonntag. Wenn wir genauer hinsehen, entdecken wir, dass tatsächlich jeder Tag ein Sonntag ist. Ein weiteres Geschenk aus 24 Stunden. Wir müssen nicht wie Druckkochtöpfe hindurchpreschen. Wir sind keine Rennfahrer und niemand wird uns am Ende einen Pokal für das am schnellsten gelebte Leben überreichen. Wenn Lebensfreude kein Teil unseres Lebens ist, dann wird es am Ende kein sonderlich erfolgreiches Leben gewesen sein. Lebensfreude zu verlieren bedeutet, die Freude am Leben zu verlieren. Irgendwie logisch, ich weiß. Ich wollte nur sicher gehen, dass uns das allen klar ist.

Das Yin in einer männlichen Welt

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